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Die Geschichte der Gemeinde Osterfeld

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Das Dorf Osterfeld als Teil der Gemeinde Bottrop

Aber schon mit der napoleonischen Verwaltungsreform von 1811 wird das Vest dem Großherzogtum Berg angegliedert. An die Stelle des herzoglichen Wappens tritt der französische Adler, und alle Beamten leisten den Eid auf den neuen Herrscher. Osterfeld verliert seine Selbständigkeit und bildet mit Bottrop und Kirchhellen die Mairie  Bottrop. Die Verwaltung übernimmt der Freiherr Friedrich von Wenge  auf Haus Beck. Er ernennt auch die Gemeinderäte. Die Herren Beckmann, Große-Brockhoff, Kleine-Brockhoff, Stemmer, Storp und Süttmann vertreten die 556 Einwohner der Bauernschaft Osterfeld.
Der Herrschaftswechsel bringt der Bevölkerung aber nicht nur bis dahin unbekannte Steuern, wie Salz-, Tabak-, Grund- und Stempelsteuern, sondern auch einen gewaltigen Vorteil: die Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Bauern brauchen für ihre Freiheit nicht einmal eine Abfindung an die Grundherren zu zahlen!
Nach den auf dem Wiener Kongreß gefaßten Beschlüssen fällt das Vest Recklinghausen 1815 an Preußen. Es wird ein Teil der Provinz Westfalen. Die Verwaltungsstruktur in Bottrop bleibt unverändert, lediglich die Mairie verwandelt sich in eine Bürgermeisterei. Die preußische Regierung schränkt die französische Verfügung über die Aufhebung der Leibeigenschaft wesentlich ein. Erst 1850 hebt ein Gesetz die gutsherrlichen Privilegien auch in Preußen endgültig auf.
Die Mehrzahl der in Osterfeld lebenden 630 Bürger gehört nicht zu den reichsten Menschen, entsprechend niedrig fallen auch die Einnahmen der Gemeinde aus. Trotzdem kann sie 1827 die erste Feuerspritze anschaffen. Das neben dem Kirchturm errichtete Spritzenhaus dient, wie könnte es auch anders sein, als Gefängnis. 1830 reicht nach einer Sammlung im Dorf, die der Bürgermeister Tourneau veranlaßt, das Geld sogar aus, um als erste Straße im Ort den Fahrweg nach Bottrop pflastern zu lassen.
Da aber die Osterfelder nicht am Straßen-Kehren gewohnt waren, so unterblieb das Reinigen derselben, wodurch im Jahre 1839 die Straße wieder total im Unstande war, und die ganze Strecke von Michel Hof bis Mangelmann am Kapelchen neu geflastert werden mußte.

(Pfarrchronik St. Pankratius, 1996)


Die anderen Straßen werden dem entsprechend auch nicht gepflegt, sie gleichen bei regnerischem Wetter einem Sumpf, bei Trockenheit verwandeln sie sich in staubige Sandpisten.

Im Jahre 1841 tritt die Landgemeindeordnung für die Provinz Westfalen in Kraft. Osterfeld bleibt mit 750 Einwohnern weiter beim Amt Bottrop, kann aber einen eigenen Gemeinderat mit einem Ortsvorsteher wählen. Neben dem Herrn auf Vondern als ständigem Mitglied gehören dem Gemeinderat an:

  • Hermann Kleine-Brockhoff
  • Wilhelm Schulte, genannt Vennbur
  • Hermann Paus
  • Theodor Storp
  • Theodor Bramhoff und
  • Franz Eschenbruch, genannt Stemmer.

Sie wählen Hermann Kleine-Brockhoff zum Vorsteher und Theodor Storp zu seinem Stellvertreter.
Die erste Gemeinderatssitzung fand am 10. Januar 1844 statt. Und seitdem haben Osterfelds Gemeindeväter in guten und in bösen Tagen über das Wohl und Wehe des Gemeinwesens beraten. Wenig umfangreich war ihre Tätigkeit in jenen Zeiten; sie beschränkte sich in der Hauptsache auf die Instandsetzung der Wege, auf das Armen- und Schulwesen. Überhaupt verläuft die Geschichte Osterfelds von 1843 bis 1873 in ruhigen Bahnen. Die Bevölkerungsziffer blieb sich ziemlich gleich. Mit dem Zuzug von Fremden war kaum zu rechnen, da der Gemeinderat am 15. Februar 1844 die Einführung eines Einzugsgeldes beschlossen hatte. "Auswärtige, die sich in der Gemeinde anbauen wollen, genießen die Wohltaten der bestehenden gemeinnützigen Einrichtungen und sollen 15 Thlr. Einzugsgeld zahlen, wer sich einmietet und selbständig ist 5 Thlr."

(Grünewald, 1922)

Allerdings gibt es auch ohne diese fremdenfeindliche Maßnahme so gut wie keine Gründe, sich in Osterfeld anzusiedeln. Ausnahmen bestätigen jedoch, wie so oft, die Regel: im Jahre 1844 läßt sich zum Beispiel die erste Hebamme hier nieder, und 1868 eröffnet sogar ein Arzt seine Praxis.
Die St. Antony-Hütte beschäftigt selbst in Zeiten der Hochkonjunktur nie mehr als 100 Mann, sie kann deshalb den ländlichen Charakter der Gemeinde nicht verändern. Die anderen beiden Betriebe der Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel und Huyssen (JH&H)  – die Hütten Gute Hoffnung in Sterkrade und Neu Essen, die an der Emscher auf Oberhausener Gebiet liegt, entwickeln sich dagegen besser. Besonders Neu Essen stellt für die Stahlherstellung nach dem Puddelverfahren immer mehr Mitarbeiter ein. Die Puddler brauchen für ihre Tätigkeit nicht nur viel Kraft, sondern auch großes Geschick und Erfahrung, deshalb legt die JH&H Wert darauf, diese Facharbeiter durch eine Werkswohnung an die Firma zu binden. Das gilt natürlich in besonderem Maße für die hochqualifizierten Puddelmeister, da von ihrem Können die Güte der Charge abhängt.

Vor diesem Hintergrund beginnt 1846 auf der grünen Wiese der Bau der ersten Arbeitersiedlung an der Ruhr, Eisenheim. Diese Kolonie bringt Osterfeld bis 1850 zwar einen Anstieg der Bevölkerungszahl auf 1.100 Einwohner; wegen der schlechten Wege zum Dorfkern orientieren sich die Neubürger jedoch mehr nach Oberhausen und Sterkrade. Wirklich durchgreifende Änderungen werden sich in der Gemeinde erst mit dem Einzug des Bergbaus und der Inbe-triebnahme des großen Rangierbahnhofs einstellen.

Geschichte 06
Bild 06: Kolonie Eisenheim: Wesselkampstraße 35
Geschichte 07
Bild 07: Kolonie Eisenheim: Kaserne Fuldastraße

Die Vorboten der neuen Zeit erreichen Osterfeld bereits drei Jahre später.
… Den 16 Septemb 1853 werden hier bei der Pastorath Kohlen gesucht, die Gewerkschaft Jacobi, Haniel und Hüssen liesen ein Gerüst bauen auf J. Küper sein Grun[d]stück am Fußweg zum Kreuze hienauf …

Der Chronist überliefert uns viele interessante Einzelheiten über diese Arbeiten. Eine Mannschaft besteht aus acht bis zehn Arbeitern, die in einer Achtstundenschicht pro Mann 14 Silbergroschen verdienen. Er erwähnt einen tödlichen Unfall und große Schwierigkeiten mit harten Gesteinsschichten in 225 m Tiefe, die nur einen Bohrfortschritt von täglich 2,5 cm erlauben.
Dann fährt er fort:
… Den 2ten Septemb 1854 haben sie das Bohren aufgegeben … Unter 5.000 Thr Kosten ist dieser Versuch nicht geblieben …  Im Jahr 1855 und 1856 kam eine Wuth im Bohren[,] an 15 Stellen im Osterfeldschen wurden Bohr-Aparathe angesetzt. Bei Eschenbrock am Grafen Garten fand man zuerst Kohlen, Hagedorn zu Essen, war im Finden der Glücklichste, er wurde aus einem unvermögenden Schreiner ein reicher Mann, durch sein Glück. Er bohrte bei Eschenbrock dreimal Kohlen an, Diesseits der Emsch[er] hinter Vondern sechsmal, nun hatte er sein Glück gemacht … Die Hütte (Anm.: gemeint ist Jacobi Haniel & Huyssen) hate zwischen Waghalz Brücke bis Schulte Venn drei Bohrlöcher, auf Winkelhecks Hof war eine andere Kompagnie dran etc., überall sah man Bohrhütten, so daß bei 300 Mann hier herum, sich ein ganzes Jahr mit Bohren beschäftigten … Nur Hagedorn hat das Glück gehabt … Was mir an Hagedorn besonders gefiel, war das; er hatte noch Religion, und ließ des Sonn u. Feiertags nie arbeiten, woran sich alle Anderen Unternehmer gar nicht störten … weil [sie] den Vorsprung haben wollten. Denn wer zuerst findet, der deckt den Andern sein Bohrloch zu; des ungeachtet hat Hagedorn als Katholik Alle ihre Bohrlöcher gedeckt:
Das war Gottes Hülfe.

(Pfarrchronik St. Pankratius)

Die bei der Kohlensuche erfolglose Gewerkschaft Jacobi Haniel & Huyssen kauft schon sehr früh die Grubenfelder, die Hagedorn auf Osterfelder Gebiet verliehen wurden; der Schachtbau beginnt jedoch erst 1873.
Zwischenzeitlich entwickelt sich die Gemeinde langsam und stetig weiter.
Der Unternehmer Franz Kleine-Brockhoff pachtet 1852 vom Grafen von Nesselrode am Vonderberg, nördlich der Bottroper Straße in Höhe der heutigen Eislaufhalle, ein Grundstück und betreibt dort die erste größere Formsandgrube. Im Jahre 1857 stellt Osterfeld einen eigenen Polizeidiener ein, weil hier schon 1 700 Menschen leben. Er bezieht eine Wohnung mit Arrestzelle neben dem neuen Spritzenhaus auf dem späteren Marktplatz. Der Bottroper Apotheker Wünnenberg eröffnet schließlich 1870 zur besseren Versorgung der nun 2 700 Einwohner eine Filiale im Ort.

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Bild 08: Der Marktplatz um 1910. Im Hintergrund das "neue" Spritzenhaus.

Das Jahr 1873 bildet einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum Amt Osterfeld: erstens leitet die Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetriebe (GHH) als Nachfolgegesellschaft der JH&H an der geplanten Linie der Rheinischen Bahn von Duisburg nach Quakenbrück mit dem ersten Spatenstich das Teufen des Schachtes Osterfeld 1 ein, und zweitens geht am 5. November der Bahnhof Osterfeld Süd an der Emschertalbahn der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft als Güterbahnhof in Betrieb. Der für die Menschen in der Region besonders wichtige Personenverkehr wird auf dieser Strecke am 1. Juli des folgenden Jahres (1874) aufgenommen.
Damit beginnt in Osterfeld die eigentliche Industrialisierung, die in späteren Kapiteln im Zusammenhang genauer beschrieben wird.

Geschichte 09
Bild 09: Die erste Apotheke (heute Bottroper Str. 125)
Geschichte 10
Bild 10: Bahnhof Osterfeld Süd

Die Annehmlichkeiten der anbrechenden Zeitepoche zeigen sich immer deutlicher. Die St. Prankratius-Kirchengemeinde plant und baut ein Krankenhaus, welches 1875 bezugsfertig ist. Das neue Hospital soll den beschwerlichen und manchmal sogar gefährlichen Krankentransport nach Bottrop entbehrlich machen. Die Bemühungen von Pfarrer Michalides, Ordensschwestern für den Pflegedienst zu bekommen, scheitern, weil ein Gesetz die Gründung neuer Filialen von Ordensgemeinschaften untersagt.

Geschichte 11
Bild 11: Das erste Krankenhaus in Osterfeld

Erst am 23. Januar 1885 genehmigt die Königliche Regierung in Münster für Osterfeld eine neue Niederlassung der Genossenschaft der Franziskanerinnen. Jetzt geht es mit Hochdruck daran, das zwischenzeitlich als Wohnung genutzte Gebäude als Krankenhaus einzurichten. Im November 1885 nimmt das St. Marien-Hospital mit einem Belegarzt und drei Ordensschwestern den Betrieb auf.

Nach diesem Zeitsprung muß ich den geneigten Leser wieder zehn Jahre zurückführen.
Zunächst kommen nämlich die mehr als 3.300 Bürger 1876 in den Genuß einer Postagentur, die ihnen die weiten Wege nach Bottrop oder Sterkrade erspart. Ein Jahr später können sie sogar ihren Bedarf an Lebensmitteln auf dem Wochenmarkt decken, ohne den Ort verlassen zu müssen, weil der Bottroper Amtmann Ohm am 20. April 1877 an den Landrat in Recklinghausen schreibt:

Infolge der wachsenden Industrie sowie wegen der Eisenbahnbauten, welche für längere Jahre eine große Anzahl fremder Familien und Personen heranziehen, ist es ein recht fühlbares Bedürfnis, in Osterfeld einen Wochenmarkt zu haben. Ein sehr geeigneter Marktplatz ist das freie Grundstück, worauf Spritzenhaus und Gendarmenwohnung erbaut worden.

(Akten des Amtes Bottrop)

Das Heiraten wird ebenfalls bequemer, denn im Juli 1877 eröffnet die Regierung in Osterfeld ein Standesamt. Gleichzeitig trifft auch die Genehmigung zum Bau einer evangelischen Schule an der heutigen Vestischen Straße / Ecke Fahnhorststraße ein.

Der erste Rückschlag läßt jedoch nicht lange auf sich warten: die Gutehoffnungshütte legt 1877 in einer Konjunkturflaute die Antony-Hütte still, da der Betrieb wegen der veralteten Technik und ohne Eisenbahnanschluß nicht mehr wirtschaftlich produzieren kann. Die 80 Belegschaftsmitglieder, von denen manche schon ihr Leben lang auf Klosterhardt arbeiten, finden auf den anderen Werken der GHH in Sterkrade und Oberhausen eine neue Beschäftigung.

Geschichte 12
Bild 12: Das Wohnhaus an der Antony-Hütte 1958
Geschichte 13
Bild 13: Bahnhof Osterfeld Nord 1908
Geschichte 14
Bild 14: Bahnhof Emsstraße 1976

Im Dezember 1877 beantragt Amtmann Ohm mit folgendem Schreiben an seine vorgesetzte Dienststelle die Genehmigung von jährlich zwei Viehmärkten in Osterfeld:
Die Gemeindevertretung hat alle Veranlassung, bei Fortdauer der Ungunst der am Platze so sehr ins Gewicht fallenden Eisenindustrie dahin zu wirken, den allgemeinen Verkehr in der Gemeinde zu heben, und es ist wohl richtig, dem in Rede stehenden Unternehmen wegen der zum Orte bereits bestehenden und noch im Ausbau begriffenen Verkehrswege an Chausseen und Eisenbahnen ein gedeihliches Fortkommen vorherzusagen.

(Akten des Amtes Bottrop)

Ohm glaubt offensichtlich nicht an die weitere industrielle Entwicklung, wenn er die mit Stillegung der Antony-Hütte ausfallenden Steuern durch die Einnahmen aus dem Betrieb des Viehmarktes abdecken will. Der Landrat folgt dem Antrag, und ab 1878 gibt es in Osterfeld jeweils im Mai und im August einen Vieh- und Krammarkt.

Ein geräumiger Marktplatz, von der Gemeinde neu eingerichtet, bietet dem verkehrenden Publikum erwünschte Bequemlichkeit; auch werden in nächster Nähe des Ortes und der Bahnhöfe den auswärtigen Viehhändlern auf Wunsch eingezäunte Weideplätze durch den Gastwirth und Oeconom Bramhoff daselbst zur unentgeltlichen Benutzung überwiesen.
Diese vortheilhaften Umstände dürfen im Allgemeinen zu der Erwartung berechtigen, daß Käufer und Verkäufer die Märkte in Osterfeld zahlreich besuchen werden.

(Rhein- u. Ruhrzeitung vom 1. Mai 1878)

Die Erwartungen bestätigen sich nicht, wie der Marktbericht von Mai 1881 zeigt. An diesem Tag bieten die Händler lediglich 150 Schweine, 7 Kühe und 1 Pferd an. Bis 1902 scheint sich der Auftrieb noch weiter verringert zu haben, denn der Amtmann schreibt in einem Bericht an den Landrat:
Die hier seit 1878 bestehenden Viehmärkte in den Monaten Mai und August haben nichts zu bedeuten, es werden nur wenige, meist minderwertige Tiere aufgetrieben, Käufer finden sich deshalb fast keine ein.

(Akten des Amtes Osterfeld)

In das Jahr 1879 fallen drei Ereignisse, die Osterfeld der angestrebten Selbständigkeit ein gutes Stück näher bringen: zum einen zieht mit Inbetriebnahme der Zeche Osterfeld die Industrie endgültig in den Ort ein, und zum anderen wird dieser durch den Bahnhof Osterfeld Nord und den Westfälischen Bahnhof an der Emsstraße noch besser an das Schienennetz der Eisenbahn angebunden.

Der Rheinische Bahnhof Osterfeld Nord liegt an der schon erwähnten Strecke von Duisburg nach Quakenbrück; die Westfälische Staatsbahn verbindet Dortmund mit Sterkrade. In Osterfeld zweigt die Trasse von der Emschertalbahn ab und führt über die heutige Westfälische Straße, an der Zeche Osterfeld vorbei, durch die "alte Bahn" (Richard Wagner Allee) nach Sterkrade. Die Gesellschaft legt diese Strecke aber schon am 15. Oktober 1884 wieder still. Eine etwas längere Betriebszeit weist die von Oberhausen über Osterfeld nach (Essen-) Katernberg führenden Eisenbahnlinie der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft auf. Hier verkehren die Züge über Osterfeld Süd von 1880 bis 1886. Die knapp 4.000 Seelen zählende Gemeinde Osterfeld verfügt also vier Jahre lang über drei Bahnhöfe, die von vier verschiedenen Gesellschaften bedient werden.

Geschichte 15
Bild 15: Zeche Osterfeld 1910

Auf der neuen Zeche fördern etwa 200 Belegschaftsmitglieder im ersten Jahr täglich 150 t Kohle. Leiter des Betriebes ist der Obersteiger Hugo Otten, der auch dem Gemeinderat angehört.

Im Laufe der Jahre verbessert sich die Infrastruktur zwar stetig, trotzdem bleibt noch einiges zu wünschen übrig:
Der Mangel einer Badeanstalt wird von einem großen Theile der Einwohner als einbeklagenswerther Uebelstand empfunden. Die Zeche besitzt zwar vorschriftsmäßige Badeeinrichtungen für ihre Bergleute und für ihre Beamten, vereinzelt hat auch ein Privatmann ein Badezimmer für den eigenen Bedarf, aber für den größten Theil der Bevölkerung, so z.B. für die gesammte schulpflichtige Jugend, ist in dieser Beziehung nicht gesorgt. Das Wasser des zunächst gelegenen Flusses, der Emscher, ist zum Baden zu schmutzig, als daß es sich empfehlen könnte, hier Vorkehrungen für das Baden im Freien zu treffen…

(Rhein- und Ruhrzeitung vom 3. Juli 1883)

In Anbetracht dieser Misere scheint es ein Wink des Schicksals zu sein, daß die Bergleute 1884 auf der Zeche Osterfeld eine heiße Solquelle erschließen. Die ermittelten Analysewerte des Wassers deuten darauf hin, dass es sich vorzüglich als Heil- und Badewasser verwenden läßt. Pläne des Obersteigers Otten und anderer Herren der GHH, die Sole zu fördern und am Schloß Oberhausen, das zu der Zeit nicht genutzt wird, ein Bad zu errichten, scheitern.

Der Besitzer des Schlosses, der Reichs- und Burggraf zu Westerholt-Gysenberg, zeigt für das Projekt wenig Interesse. Er bezeichnet es als unreif und finanziell nicht abgesichert.

Geschichte 16
Bild 16: Schloß Oberhausen um 1910

Der Traum von einem Bad Oberhausen geht nicht in Erfüllung, und die im folgenden Zeitungsartikel angekündigte frühe Form einer "Marina" an der Emscher hat ebenfalls keine Überlebenschancen.
Ein aus mehreren Bewohnern von Oberhausen II bestehendes Consortium hat den Plan verwirklicht, den Emscherfluß mit einem Schiffe auszurüsten. Das Schiff, eine kleine, auf einer bedeutenden Werft am Rhein erbaute Barkasse, wurde von mehreren Mitgliedern der Gesellschaft vor einigen Tagen in Ruhrort übernommen und die Emscher soweit hinaufgeführt, als eben möglich war. Von dort ab wurde das Schiff auf einem besonders starken Wagen am Montag nachmittag nach Lippern an den Ort seiner Bestimmung gebracht. Daß dieser sonderbare und für unser jetzt beinahe zur Seestadt erhobenes Oberhausen so seltene Zug allgemeines Aufsehen erregte und Neugierige in großer Menge herbeilockte, ist nicht zu verwundern, zumal die Barkasse vollständig "seeklar" gemacht war und mit vollen Segeln ihre Einfahrt in Lippern hielt. In dem von Herrn Th. Schulte-Lippern erbauten kleinen Hafen erfolgte die Taufe der Barkasse, der der Namen "Lippern" beigelegt wurde. So kann man also jetzt Vergnügungs-Wassertouren nach Osterfeld, Bottrop usw. unternehmen und es darf nicht bestritten werden, daß Oberhausen wieder um einen Schritt in der Kultur vorgeschritten ist.

(Rhein- u. Ruhrzeitung vom 1. Juni 1886)

Ob die Barkasse in Osterfeld je Passagiere aufgenommen hat, geht aus den bearbeiteten Unterlagen nicht hervor. Mit Sicherheit wissen die Bürger des Ortes dagegen zu schätzen,  daß sie seit 1888 nicht nur eine selbständige Apotheke haben, sondern auch an das Wasserrohrnetz der GHH angeschlossen sind. Zwei Jahre später (1890) wohnen in Osterfeld bereits 5.385 Menschen, weil die Belegschaft der Zeche auf 1.100 Mann angewachsen ist. Unter ihnen befinden sich auch die ersten Bergleute aus den Ostprovinzen. Sie sind zwar preußische Staatsbürger, sprechen aber trotzdem besser Polnisch als Deutsch. Außerdem beginnt die Königliche Eisenbahnverwaltung mit den Erdarbeiten für den Sammel- und Rangierbahnhof. In diesen Kolonnen arbeiten viele Holländer und Belgier.

Am 5. Juli 1890 berät die Gemeindevertretung zum ersten Male über die Lostrennung von Bottrop; die Versammlung beschließt jedoch, die Entscheidung zu vertagen. Auch auf der nächsten Sitzung am 4. August kommt es zu keiner Abstimmung, weil einige Ratsmitglieder fehlen. Die für die Geschichte Osterfelds wichtigste Gemeinderatssitzung findet am 12. August 1890 statt. Auf der Tagesordnung steht nur ein Punkt:
Vorlage betreffend Lostrennung der Gemeinde Osterfeld vom Amtsverbande Bottrop und Bildung eines eigenen Amtes Osterfeld.

(Akten des Amtes Osterfeld)

Das Sitzungsprotokoll überliefert die erregte Debatte der Nachwelt:

Nach einleitendem Vortrage hält der Vorsitzende, Herr Amtmann Ohm – Bottrop, gegenüber der Meinung des Kreisausschusses [Anm.: der Kreisausschuß hat den Antrag befürwortet] den Augenblick der Lostrennung der Gemeinde Osterfeld vom Amtsverbande Bottrop noch nicht für gekommen, er empfiehlt dringend, zunächst abzuwarten, welchen Effekt die bevorstehende Einrichtung eines großen Sammel- und Rangierbahnhofes dahier auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde Osterfeld haben werde, indem er seiner Besorgnis Ausdruck gibt, daß die aus der Einrichtung eines eigenen Verwaltungsapparates der Gemeinde notwendig entstehenden Mehr-kosten … mit Rücksicht auf die geringe Leistungsfähigkeit  der Gemeinde … zur Zeit wohl nicht getragen werden könnten.
Der Herr Gemeindevorsteher trat dieser Ansicht bei, ebenfalls auch der Herr Obersteiger Otten, der in eingehendem Vortrage die Ansicht vertrat, daß es unnötig sei, diese wichtige Angelegenheit zu überstürzen, daher er nochmalige Vertagung empfehle und beantrage, um zunächst bezüglich der Kosten des eigenen Verwaltungsapparates weiteres Material herbeizuschaffen bezw. die Amtsverwaltung sich äußern zu lassen.

Herr Kaufmann Schulte trat entschieden für [die] Lostrennung ein. Er sei vor Jahren schon im Prinzip für ein Amt Osterfeld gewesen und halte auch jetzt noch daran fest, umso mehr, als dazu vom Kreisausschuß die Hand gereicht werde. Es sei zweifelhaft, ob bei heutiger Ablehnung eine Lostrennung später so leicht zu erreichen sei. Nach seiner Ansicht würden die Mehrkosten doch nicht so bedeutend sein, als daß sie nicht übernommen werden könnten. Jeder Eingesessene würde für die ihm aus einer Amtsverwaltung am hiesigen Orte entstehenden Annehmlichkeiten und Vorteile gern ein Opfer bringen. Diese Ansicht spricht auch Herr Landwirt Storp aus, der überdies betont, daß es doch auch eine Ehre für Osterfeld sei, selbständig zu werden, eine eigene Amtsverwaltung haben zu können.
Nachdem diese Angelegenheit des weiteren gründlichst besprochen, wurde zur Abstimmung geschritten.
Der Vertagungsantrag des Herrn Otten wurde abgelehnt mit 4 gegen 3 Stimmen. Dahingegen wurde mit 4 gegen 3 Stimmen beschlossen, die Gemeinde Osterfeld vom Amtsverbande Bottrops loszutrennen und ein eigenes Amt Osterfeld zu bilden.
Es stimmten dafür
die Herren Schulte, Storp, Küpper und Althoff;
dagegen stimmten
die Herren Gemeindevorsteher Schulte-Vennbur, Otten und Sustmann.

(Akten des Amtes Osterfeld)

Auch die GHH hält den Zeitpunkt für eine Lostrennung noch nicht für gekommen, die beiden Vertreter dieses Unternehmens, Otten und Sustmann, schließen sich bei der Abstimmung offensichtlich der Meinung ihres Arbeitgebers an.

Bis 1890 wächst die Zahl der evangelischen Christen in Osterfeld auf knapp 1.000 Seelen. Deshalb verfügt der zuständige Oberkirchenrat, die Osterfelder aus der Gemeinde Sterkrade auszugliedern. Ein Jahr später erreichen sie, einige Monate vor der politischen Gemeinde, mit der Einführung eines Pfarrvikars ihre Unabhängigkeit.

Geschichte 17
Bild 17: Evangelische Kirche um 1900

© 2000 Fritz Pamp

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