Die Geschichte des Gasometers
Der Riese am Rhein-Herne-Kanal wurde auf Osterfelder Gebiet errichtet.
In den Jahren vor und nach der Währungsreform verfolgten interessierte Zuschauer, unter ihnen der Chronist, mit größter Spannung ein einmaliges Schauspiel: den Abriß und den Wiederaufbau des Gasometers am Rhein-Herne-Kanal. Das auf vier Seiten mit dem Firmenlogo der GHH bemalte Wahrzeichen Oberhausens kam 1929 in Betrieb, weil die Hütte einen Speicher für das in den Hochöfen anfallende Gichtgas brauchte.
Der Gasometer |
Lageplan Gasometer 1928 |
Dieses fand als Heizgas bei verschiedenen Fertigungsprozessen in den eigenen Stahlwerken, bei der Stromerzeugung und auf den Kokereien Osterfeld und Jacobi Verwendung. Letztere verfeuerten das Gichtgas in ihren Koksöfen und speisten das hochwertige Koksgas in das Ruhrgasnetz ein. Weil aber weder die Menge des anfallenden Gichtgases noch der Verbrauch über 24 Stunden konstant waren, sollten die Überschüsse in dem Behälter zwischengelagert werden. Der 116 m hohe und fast 68 m „dicke“ Gigant konnte 347 000 m³ Gas speichern. Im Inneren des 24-Ecks bewegte sich eine mit Betongewichten belegte "Scheibe" je nach Füllvolumen auf und ab. Die Abdichtung zur Behälterwand übernahm ein Teer-Öl-Gemisch auf einer Leinwandauskleidung. Das Prinzip des wasserlosen Scheibengasbehälters wendeten die Konstrukteure in diesen Dimensionen hier zum ersten Male an. Und lange Zeit galt das Oberhausener Bauwerk als das größte seiner Art in Europa.
Ende 1944 wurde der Gasometer durch Bombensplitter so stark beschädigt, daß er stillgelegt werden mußte. In den ersten Monaten nach dem Kriege war an eine Reparatur wegen der allgemeinen Materialknappheit nicht zu denken. Erst im September begann man, die vielen Löcher auszubessern. Am 10. Januar 1946 entzündete sich bei den Schweißarbeiten die Dichtungsmasse im Inneren, und der Behälter brannte völlig aus. Noch am nächsten Tage wiesen dicke Rauchwolken weithin sichtbar auf das Unglück hin, bei dem zwei Menschen zu Tode kamen.
Das Feuer verursachte an der Stahlkonstruktion so große Schäden, daß sich die Verantwortlichen bei der GHH entschieden, das Wrack zu demontieren und auf dem Fundament nach den alten Plänen einen neuen Gasbehälter zu bauen. Nur die aufwendige Dachkonstruktion sollte repariert und wieder verwendet werden. Die Demontagearbeiten begannen im Mai 1947. Von nun an konnten die Oberhausener mit Interesse verfolgen, wie der Riese zusammenschmolz, und sich das Dach täglich dem Erdboden näherte und ihn schließlich im Dezember 1948 erreichte. Die Instandsetzung des Daches war weniger spektakulär. Sie dauerte bis zum Sommer 1949. Aber dann begann die Montage, und das Schauspiel wiederholte sich, nur in umgekehrter Reihenfolge und sehr viel schneller. Schon im Oktober schmückte ein Richtkranz das neue Bauwerk.
Montage 1949 |
Montage 1949 (2) |
Am 1. Januar 1950 ging der Gasometer mit den bekannten Aufgaben wieder in Betrieb, und die Stadt bekam ihr Wahrzeichen zurück. Als 1979 der letzte Hochofen in Oberhausen stillgelegt wurde, gab es auch kein Gichtgas mehr. Jetzt speicherte der Behälter das Koksgas der Kokerei Osterfeld. Allerdings kam schon im März 1988 das "Aus" für die Kokerei, und die RAG gab den Gasometer endgültig auf.
In den folgenden Jahren stand das Schicksal des Kolosses immer wieder im Mittelpunkt des Interesses. Viele Menschen plädierten für den Abriß, weil sie glaubten, die Stadt brauche kein teueres Denkmal an ihre industrielle Vergangenheit. Eine knappe Mehrheit wollte den Gasometer aber erhalten und machte sich Gedanken über seine zukünftige Verwendung.
Eine Bemalung in den Coca-Cola-Farben war ebenso im Gespräch wie die Verwendung als Träger für Leuchtreklamen. Andere konnten sich auch ein Hochregallager, eine Hochgarage oder ein Planetarium vorstellen. 1991 wurde erstmals der Vorschlag gemacht, das Bauwerk als Ausstellungshalle zu nutzen.
Mitten in dieser Diskussion beschloß der Rat Stadt Oberhausen im Juni 1992, den Gasometer nicht unter Denkmalschutz zu stellen. Daraufhin reichte die RAG beim Bergamt Dinslaken einen Betriebsplan für den Abbruch ein. Das veranlaßte das Rheinische Amt für Denkmalpflege, den zuständigen Minister in Düsseldorf auf das Baudenkmal hinzuweisen. Dieser verfügte im Oktober 1992, daß an dem Gasometer keine denkmalschädigenden Maßnahmen und Veränderungen vorgenommen werden durften. Im April des folgenden Jahres revidierte der Stadtrat seine Entscheidung und stimmte dem Erhalt des Bauwerks unter der Bedingung zu, daß die Stadt keine Folgekosten tragen muß. Die Vernunft setzte sich zwar spät, aber zum Glück nicht zu spät, durch.
Der Gasometer blieb also der Nachwelt erhalten: als vertrautes Erkennungszeichen von Oberhausen, als Erinnerung an bessere Zeiten, aber auch als Symbol für die Zukunft mit neuer Funktion als Ausstellungshalle der IBA Emscher Park im Rahmen der Neuen Mitte Oberhausen.
Für die neue Aufgabe mußte er aber zuerst gereinigt und anschließend umgebaut werden. Von den dafür erforderlichen 16 Mill. DM stellte das Land NRW 14,4 Mill. DM zur Verfügung, 1,6 Mill. DM übernahm die RAG. Diese Summe hätte die Gesellschaft auch für den geplanten Abriß aufwenden müssen. Die Arbeiten begannen im August 1993 unter Beachtung der Denkmalschutzvorschriften. Außer den erforderlichen Notausgängen im unteren Bereich, einem angebauten, 118 m hohen Treppenturm (592 Stufen) mit integriertem Sicherheitsaufzug und Aussichtsplattformen auf dem Dach änderte sich am äußeren Erscheinungsbild nichts.
Der neue Panoramaaufzug im Inneren lädt zu einer beeindruckenden Fahrt durch den gesamten Gasometer ein. Die Scheibe, die vormals mit 600 t Gewichten beschwert für die Abdichtung zum oberen Behälterraum und den nötigen Gasdruck sorgte, wurde in 4 m Höhe festgelegt und durch eine Tribüne mit 400 Sitzplätzen sowie eine Galerie ergänzt. Auf diese Weise entstanden "in der ersten Etage" weitere 3500 m² Ausstellungsfläche mit einer freien Höhe von mehr als 100 m.
Insgesamt stehen in dieser einmaligen Ausstellungshalle über 7000 m² Nutzfläche zur Verfügung.
© 2010 Fritz Pamp
Dach Löwengang 1998 |
Dach Löwengang 1998 (2) |